Active Onco Kids

Der Toy Run e.V. hat dieses Projekt von April 2015 bis April 2023 mit insgesamt 335.000 € unterstützt!

Mit Freude in Bewegung

Kinderonkologie. Wer krank ist, gehört ins Bett – so hieß es früher. Heute wissen wir: Langes Liegen kann sogar schaden, weil ein ruhiggestellter Organismus weniger gut funktioniert. Deshalb gehören in der Kinderonkologie des Uni-Klinikums Erlangen regelmäßige Sportangebote zum Therapiekonzept für krebskranke Kinder und Jugendliche.

Der fünfjährige Junge ist kaum zu bremsen: Er läuft immer schneller, die Augen fest nach vorn gerichtet. „Jetzt renne ich einen Berg rauf“, ruft er begeistert und dreht am Regler des großen Laufbands. Fabian hat Leukämie und befindet sich im Sportraum der Kinderonkologie des Uni-Klinikums Erlangen. Links neben ihm steht ein Rollständer mit Infusionsbeutel, und Sportwissenschaftlerin Pavla Chadová beobachtet aufmerksam, ob sich ihr kleiner Patient nicht zu sehr verausgabt.

Seit 2015 vermittelt die 38-Jährige Kindern und Jugendlichen mit Krebserkrankungen Spaß an regelmäßiger Bewegung. Nach der stationären Aufnahme der jungen Patienten beginnt so bald wie möglich die Sporttherapie. „Das ist sehr wichtig, weil sich die Muskulatur sonst während der oft wochenlangen Klinikaufenthalte zurück entwickelt“, erklärt Sportwissenschaftlerin Vera Brockherde, die Pavla Chadová seit 2018 unterstützt. „Wir erstellen in enger Absprache mit den Ärzten und dem psychosozialen Team für jedes Kind einen individuellen Bewegungsplan und bieten unseren Patienten daraus jeden Tag eine Einheit an“, sagt Vera Brockherde.

„Bewegung ist sehr wichtig, weil sich die Muskulatur sonst während der oft wochenlangen Klinikaufenthalte zurückentwickelt.“
Vera Brockherde

„Die Kinder dürfen mitentscheiden, wozu sie Lust haben und was sie ausprobieren möchten“, ergänzt Pavla Chadová. Manche Kinder freuen sich über die Abwechslung vom Klinikalltag und können gar nicht genug Zeit in dem hellen Sportraum mit den spannenden Geräten und bunten Utensilien verbringen. Andere waren schon vor ihrer Erkrankung nicht sonderlich sportbegeistert und werden von den zwei Sporttherapeutinnen geduldig motiviert: „Es gelingt uns immer wieder, dass sogar kleine Sportmuffel gern dabei sind“, freut sich Pavla Chadová. „Auch die Eltern bestätigen, wie glücklich ihre Kinder zurück ins Zimmer kommen.“

Manche Kinder bewegen sich eine Stunde und länger, bei anderen lässt die körperliche Verfassung gerade mal eine Zeitspanne von fünf Minuten zu. Dennoch erhalten alle ihr tägliches Bewegungsangebot: „Patienten, die für jegliche Übungen zu schwach sind, stellen sich einfach auf unsere neue Vibrationsplatte“, erklärt Vera Brockherde. „Die Vibrationen fördern Koordination und Motorik sowie den Muskelaufbau.“ Mithilfe einer regelmäßigen Bioimpedanz-Analyse kontrollieren die beiden Wissenschaftlerinnen die Verteilung der Muskelmasse im Körper und überprüfen die Wirksamkeit ihrer Bewegungsangebote. „Auch für die Kinder ist es spannend, zu sehen, wie viel Muskelmasse in ihrem Körper steckt“, erklärt Pavla Chadová.

„Außerdem wirkt es sich positiv auf ihre Psyche aus, wenn sie stark genug sind, um allein zur Toilette gehen zu können.“ Die beiden Sportwissenschaftlerinnen können inzwischen belegen, dass ihre Bewegungsangebote neben dem Muskelaufbau das Immunsystem stärken, dem Fatigue-Syndrom vorbeugen und die Nebenwirkungen der Chemotherapie mildern. Zusätzlich zum Laufband bietet der Therapieraum eine gepolsterte Schaukel, von der Decke baumelnde Schwungringe, eine Sprossenwand, weiche Turnmatten und zahlreiche Utensilien wie Hanteln, Stepper und bunte Bälle, Kegel und Eimer, aus denen die Kinder selbst einen Koordinationsparcours gestalten können. Auch ein sogenannter Sling-Trainer, mit dem sich alle Muskelgruppen trainieren lassen, ist montiert. „Darüber freuen sich vor allem die Teenager, weil das für sie eine coole Sache ist“, weiß Pavla Chadová. „Wir können nur Hilfsmittel verwenden, die sich vollständig desinfizieren lassen“, ergänzt die Sporttherapeutin. Außerdem ist es wichtig, das alle Geräte medizinisch geprüft und zertifiziert sind. Diese Vorgabe erhöht allerdings die Investitionskosten: So ist das bei Kindern jeden Alters beliebte Laufband knapp 12.000 Euro wert, während vergleichbare Geräte für den privaten Gebrauch für weniger als ein Viertel des Preises zu haben sind. Umso dankbarer sind die beiden Sporttherapeutinnen dafür, dass die gesamte Ausstattung des Therapieraums und auch ihre beiden Teilzeitstellen allein durch Spendengelder finanziert werden.

„Ohne diese Unterstützung könnten wir nicht arbeiten“, betont Pavla Chadová. Während der Verein „Toy Run – Träume für kranke Kinder Erlangen“ von Anfang an die Personalkosten für die Sporttherapie übernommen hat, werden alle Sachspenden über ein eigens eingerichtetes Spendenkonto finanziert, auf das viele Vereine, Firmen und Privatpersonen einzahlen. „Bisher ist die Sporttherapie leider kein Teil der Behandlungskosten, die die Krankenkassen übernehmen. Wir hoffen, dass die seit Jahren vorbereiteten Verträge bald abgeschlossen sind und die Kosten für die Sporttherapie dann zum Teil von den Krankenkassen getragen werden können“, so Pavla Chadová.

Textnachweis: „Gesundheit Erlangen“ (Kerstin Bönisch/Uniklinikum Erlangen)

Alle Fotos wurden vor der Corona-Pandemie aufgenommen.

JONAS
Der inzwischen neunjährige Jonas erkrankte mit fünf Jahren
am Ewing-Sarkom, einem bösartigen Knochentumor. Trotzdem ist der heutige Zweitklässler eine Sportskanone und denkt immer noch begeistert an die Zeit mit den Sporttherapeutinnen zurück.

Jonas - Foto: Franziska Männel/Uni-Klinikum Erlangen
Jonas – Foto: Franziska Männel/Uni-Klinikum Erlangen

Jonas - Foto: Franziska Männel/Uni-Klinikum Erlangen
Jonas – Foto: Franziska Männel/Uni-Klinikum Erlangen


ALINA
Bei Alina (unten mit Sporttherapeutin Pavla Chadová) wurde im Alter von vier Jahren Leukämie diagnostiziert. Gemeinsam mit ihrer Mutter verbrachte das Mädchen 2017 viele Wochen in der Kinderonkologie. „Das tägliche Bewegungsangebot hat unseren Klinikalltag aufgehellt. Alina war begeistert dabei und dadurch viel ausgeglichener“, erinnert sich ihre Mutter.

Alina - Foto: Franziska Männel/Uni-Klinikum Erlangen
Alina – Foto: Franziska Männel/Uni-Klinikum Erlangen

Alina mit Sporttherapeutin Pavla Chadová -  Foto: Franziska Männel/Uni-Klinikum Erlangen
Alina mit Sporttherapeutin Pavla Chadová – Foto: Franziska Männel/Uni-Klinikum Erlangen


Sportwissenschaftlerin Vera Brockherde - Foto: Kerstin Bönisch/Uni-Klinikum Erlangen
Sportwissenschaftlerin Vera Brockherde – Foto: Kerstin Bönisch/Uni-Klinikum Erlangen

Vera Brockherde (oben) unterstützt die Sporttherapie der Erlanger Kinderonkologie seit 2018; Pavla Chadová (unten) ist seit 2015 dabei.

Sporttherapeutin Pavla Chadová mit Jonas - Foto: Franziska Männel/Uni-Klinikum Erlangen
Sporttherapeutin Pavla Chadová mit Jonas – Foto: Franziska Männel/Uni-Klinikum Erlangen